Auf die werte Bitte von Johann nehme ich hierzu Bezug und möchte über meinen Abschied von einem mir sehr wertvollen Lehrer teilen.
Ban Kourng, in der Pol Pot Ära auch "Kaim" genannt, war der älteste Sohn von sechs Kindern. Schon früh sollte er im Kloster leben, weil es ihn von klein an dorthin zog. Noch bevor er zehn Jahre alt war, wurde er Novize und nach etwas mehr als sieben Jahren wurde er als Bikkhu eingeweiht. Mein Vater, sein jüngster Bruder, und seine jüngste Schwester verbrachten die meiste Zeit in seinem Kloster, weil ihr Vater, kurz nach der Geburt des jüngsten Kindes Witwer geworden, ständig Arbeiten nachgehen musste um die Kinder zu ernähren.
Bereits über 30 bemerkte er mit welcher Leichtigkeit ein junger Novize sich die Sutren merken konnte, und er erkannte, dass er offenbar nicht das tat, worin er am besten war. Also entsagte er dem Mönchsleben und suchte seine Berufung in vielen Bereichen. Er machte sich bald einen Namen als Koch für Dorffeste, als "Bauingenieur" (einige Städte und Pagoden im Norden Kambodschas haben viele Bauten ihm zu verdanken), als Naturheiler, als Schmied, als Priester, als Weiser und zuletzt wurde er wieder bekannt als einer der zwei Lebenden, die das Folterungslager Siem Reap während der Pol Pot Ära überlebt haben.
"Log Bong", so wie ihn seine Geschwister liebevoll und gleichzeitig ehrfürchtig nannten, ist der Titel für ehemalige Mönche, weil diese, obwohl sie sich für ein weltliches Leben entschieden haben, nie wirklich ihre Mönchstugenden ablegen.
Für mich wurde er in Kambodscha zu meinem zweiten Vater, meinem "abok tom", dem "großen Vater", von dem ich das Dhamma durch das alltägliche Leben mit ihm beigebracht bekam. Seine tiefe Liebe zu allen Menschen zu sehen, wie er jeden, egal ob sie ihm gut oder schlecht zugetan waren, mit so einer Herzlichkeit willkommen zu heißen und sie zu bewirten, wird mir immer bleiben.
"Gebe denen, die brauchen; du hast noch immer genug, nachdem du ihnen gegeben hast."
Oft schüttelte er den Kopf und meinte, "Du bist so wie dein Vater, immer willst du Gutes tun... - aber die Leute denken anders. Denen muss man zuvorkommen, wenn man ihnen was Gutes tun möchte."
Und er erzählte mir aus seiner Novizenzeit wie sie damals Sutren lernen mussten: In der sengenden Hitze mussten sie unter einem kleinen Baum Platz finden und solange ein Sutra lernen, bis sie dieses auswendig konnten. Als Absicherung gab es nur einen dünnen Nähfaden, der an seinem Daumen angebunden wurde und der so weit reichte, dass er nicht weiter kam als der Baum Schatten warf.
Es dauerte lange bis ich verstand, was er damit sagen wollte: Es ist nicht wichtig, ob es ein Seil ist oder eine Schnur: dein Gedanke ist es, der dich leitet Gutes zu tun oder Schlechtes.
Es war mir eine Ehre an seiner siebentägigen Abschiedsfeier mitwirken zu dürfen und Zeuge zu werden, wie über die Tage über 1000 Menschen aus allen Teilen des Landes kamen um ihm die letzte Ehre zu erweisen und Abschied zu nehmen. Einige kamen zu Fuss gepilgert.
Und wie zu Lebzeiten war es auch diesmal so: Keine Streitereien, keine Gehässigkeiten, alle waren so bemüht zusammen etwas Gutes zu tun. Es war reichlich von allem für alle da und am Ende wurde alles Übrige dem Kloster übergeben als Sanghadana.
In tiefer Ergebenheit und Dankbarkeit