Werter Marcel,
werte Sophorn,
ich hatte auf das Thema "Allgemeine Fragen zu ordinierten Personen" vor zwei Tagen geantwortet, meine Antwort aber danach wieder gelöscht (in den "Recycling-Platz" verschoben), weil ich im Nachhinein das Gefühl hatte, man könnte es als "aufmüpfig" oder irgendwie auf Krawall gebürstete auffassen vom Ton her, wobei das nicht meine Absicht war, und ich auch keine Lust habe, auf diese Weise oder überhaupt irgendwie öffentlich im Fokus zu stehen.
Gedacht, es noch einmal kurz per Mail, für den Fall, dass es in der kurzen Zeit nicht gelesen wurde - hab ich das nun doch noch immer nicht getan. Mein Hauptanliegen war eigentlich nur, Marcel aufzuklären, soweit mein theoretisches Besserwissen über Vinaya reicht, wobei ich mich gewundert hatte, dass Sophorn offenbar nicht ganz verstanden hat, worum es geht.
Ich hatte die Nachricht gelöscht, weil ich keine Lust hatte, mich als Besserwisser hier hinzustellen, mit dem Gedanken, dass was immer an nützlicher Information wohl schon bei Marcel angekommen sein mag in der Zeit, wo es sichtbar war. Oder dass er ohnehin schon für sich selbst Antworten gefunden oder sich einen Reim darauf gemacht hat. Und dass meine Belehrungen, Tips und Ratschläge sowieso nicht nötig sind.
Aber um der Klarheit willen, vielleicht besser, hole ich es noch einmal hervor.
(Und ich weiß, dass wohl Sophorn zumindest genug um die Ohren hat, und einen vollgepackten Alltag, sodass ich da nicht nötigen wollte, vielleicht etwas diskutieren zu müssen.)
Hallo und Entschuldigung, dass ich mich hierzu so spät noch zu Wort melde.
Ich bin ja kein Experte, aber ich glaube, dass es da bei der Bentwortung der Frage einige Missverständnisse gab.
Sicher wird Sophorn gut beschrieben haben, wie es hier und da Brauch und Sitte ist, was ja aber sicher auch von Tradition zu Tradition und von Land zu Land unterschiedlcih sein kann und wird. Aber was die Patimokkha-Regeln hergeben, scheint mir doch etwas anderes zu sein.
Leider bin ich ja in den Details da nicht so bewandert, und es berührt ja auch mein Leben nicht in praktischer Weise. Aber soweit ich weiß, ist den Mönchen nach dem Patimokkha eine bestimmte Anzahl von Roben erlaubt, sowie zusätzlich Stoff für andere bestimmte Zwecke. (Ich glaube, der Bhikkhu muss auf irgendeien formale Weise den Zweck des Stoffs bestimmen, um ihn daraufhin nur in dieser Weise zu verwenden, d.h. bis er ihn vielleicht auf ebensolche Weise formal wieder "umfunktioniert".)
Was das Tuch zum Empfangen von Gaben von weiblichen Laien angeht, findet man dazu unter dem englischen dafür wohl geläufigen Begriff "receiving cloth" vielleicht brauchbare Informationen.
Kurz: Diese Art von Gebrauch ist nicht in der Vinaya festgeschrieben. Es handelt sich dabei um eine spätere Entwicklung, die wohl auch nicht in allen Ländern so betrieben wird, sondern um eine vielleicht etwas übertriebene Art und Weise, einem Bruch von Sanghadisesa 2 vorzubeugen, wonach es einem Bhikkhu nicht erlaubt ist, mit lüsternen Gedanken eine Frau zu berühren.
Hierzu etwa eine Frage und Antwort aus "The Bihkkhus' Rules: A Guide for Laypeople" von Bhikkhu Ariyesako:
FAQ 2: "It has been observed that in the Burmese, Sri Lankan, Tibetan and Mahayana traditions, women are allowed to make an offering directly to the monks. Yet Thai Buddhist monks are not allowed to accept offerings directly from women. Is it because it is against the Vinaya rules or a different interpretation of the rules?"
A 1&2: The Vinaya Rule specifies that if a bhikkhu touches or is touched by a woman, it is an offence — a very serious offence — only if the bhikkhu is "overcome by lust, with altered mind." However, the practicing bhikkhu knows that as his mind changes so quickly, he has to be extremely cautious about involving himself in doubtful situations. It is better to be safe than sorry, even if this may seem over-scrupulous. In emergency situations the bhikkhu will have to decide for himself and be sure to take care of his thoughts.
In Thailand it is a tradition (not strictly a rule) that the monk uses a 'receiving cloth' to emphasize that there is no touching. (For more about these questions, see Intimacy — Touching, How to make an Offering, and End Note 85.)
85.
Bhikkhus in Thailand never receive food from women directly into their hands. It is always offered into their bowl or onto a 'receiving-cloth.' This practice does not appear directly in the texts. However, it probably functions as extra-assurance for the monks concerning the very serious rule about touching women (see Intimacy — Touching.) Many Thai eight-precept nuns follow a reciprocal tradition when receiving anything from a man. In Sri Lanka and Burma monks generally will accept offerings from women directly into their hands.
Oder etwas kritischer hierzu etwa Bhikkhu Sujato :
... In the Vinaya, for example, there is no prohibition for a monk to touch a woman. The offence falls if a monk sexually gropes a woman, with ‘mind perverted by lust’. This protects women from sexual harassment in the monastery, a place where they should be free of fear. But in some Buddhist countries the very idea of a monk touching a woman, even brushing her hand by accident, is viewed with horror.
This goes so far that in Thailand monks have to use a ‘receiving cloth’ when accepting offerings from a woman. We have already seen how this practice makes literal the idea of the ‘insulating horse’ that isolates the sacred from the profane. The use of the ‘receiving cloth’, unknown in the Vinaya or any other Buddhist land, is sternly insisted upon. It is certainly a convenient way for monks to be able to accept gifts from women while remaining ritually isolated from their impurity. Even bhikkhus from other Theravāda countries regard this practice with disdain; K. Sri Dhammananda, the late Chief Monk of Malaysia, told me the use of the receiving cloth was a ‘Brahmanical’ custom.
Also demnach scheint diese Handhabung nur in Thailand wirklich verbreitet zu sein.
Da Marcel sich ja meines Wissens nach darauf vorbereitet, als Bhikkhu zu ordinieren, ist es sicher nicht schlecht, da genau bescheid zu wissen.
Und sicher ist es gut, zu wissen, welche Regeln denn vom Buddha erlassen wurden, und auch sicher nicht verkehrt, sich auch als Mönch noch etwas gesunden Menschenverstand zu bewahren.
ACHTUNG ACHTUNG!!!!11!1
http://thebahiyablog.blogspot.de/2016/01/technical-matters-vinaya-rules-even.html
Some rules with regard to human females are very easily broken, especially in non-Buddhist countries, and are broken by many “exemplary” monks, such as traveling by arrangement with them or sitting alone with them (and whether or not a door is open is irrelevant, as a rule is still broken if no other male can see and hear them).
Der Artikel von Bhante Pannobhasa ist vielleicht auch lesenswert, um etwas guten Einblick zu gewinnen, wie allgemein seine Erfahrungsberichte zum Umgang mit Vinaya, die sehr ernsthaft sind, aber auch nicht ohne Humor und Offenheit, vor allem aber aufrichtig und mit geradem Gewissen.
http://thebahiyablog.blogspot.de/2012/11/the-middle-way-of-mediocrity.html
Auch interessant: http://thebahiyablog.blogspot.de/2015/03/technical-matters-confession-patidesana.html
(Ich denke, dass er auch ein sehr guter Ansprechpartner sein könnte, für ernsthafte Anfragen jeder Art, was Vinaya und die Vorbereitung auf ein monastisches Leben angeht. Er ist da aber wohl eher in der burmesischen Kultur verankert.)
Übrigens, Marcel, der ehrwürdige Ajahn Martin kommt, wie es aussieht, bald nach Deutschland zu Besuch . Vielleicht ergäbe sich da auch eine gute Gelegenheit, mal persönlich nach solchen Dingen zu fragen. Wobei das dann sicher eher aus der thailändischen Perspektive sein wird.
Vielleicht noch, um die Besserwisserei fortzusetzen, ist es ja wohl so, dass es Bhikkhus nicht erlaubt ist, über Sinn und Unsinn der Vinaya-Regeln mit Laien zu diskutieren (oder irgendsowas? Bitte gern korrigieren oder auf die Sprünge helfen, habe da die Referenzen nicht zur Hand und bin nicht ganz sicher). Und auch was Gepflogenheiten hier und da angeht, ist es wohl das Beste in der Regel, sich an was immer dort gilt, zu halten, wenn es keinem Schaden tut. Aber man kann vielleicht ja auch auf lange Sicht einen (Dach-)Schaden davon erleiden, neurotisch übervorsichtig zu sein, und hat vielleicht, wenn man sich zuversichtlich auskennt, auch die bessere Freiheiten, gut und zum Wohl des eigenen wie auch des andern zu agieren.
Soweit nur meine bescheidene Sicht als Laie, der vom monastischen Leben und jeglicher Kultur drumherum ganz weit entfernt ist. Aber mit Mönchen, die Erfahrung haben, kann man ja auch das ein oder andere vielleicht, wenn sich solche Gelegenheit ergibt, auf gute und für sich selber aufklärende Weise ansprechen, besonders wenn man beabsichtigt, selber diesen Weg zu gehen.
Ende der Durchsage.