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Süßigkeiten gegen Gold eintauschen: Verzichten als erlernbare Fähigkeit

Süßigkeiten gegen Gold eintauschen

Summary:

Süßigkeiten gegen Gold eintauschen

Verzichten als erlernbare Fähigkeit

von

Ehrwürdigen Thanissaro Bhikkhu

Übersetzung ins Deutsche von:

BGM-Studiengruppe

Alternative Übersetzung: noch keine vorhanden

Alternative Formate: Ein Druckversion finden sie in dem Buch: Edle Strategie. Um eine gedruckte Version diese Buches zu erbitten, schreiben sie bitte an: Buddhistischen Gemeinschaft München oder direkt per email: Email an BGM e.V.

Der Buddhismus greift hier eine bekannte amerikanische Leitidee – das Streben nach Glück - auf und fügt dieser zwei wichtige Konkretisierungen hinzu. Das angestrebte Glück ist echt unübertrefflich, unvergänglich und untrüglich. Das Streben nach diesem Glück ist ernsthaft , nicht verbissen, sondern hingebungsvoll, diszipliniert und gepaart mit der Bereitschaft, kluge Opfer zu bringen.

Welche Art von Opfern aber ist klug? In der buddhistischen Antwort auf diese Frage klingt eine weitere amerikanische Leitidee an: Ein kluges Opfer ist ein Opfer, bei dem man ein größeres Glück erreicht, indem man auf ein geringeres Glück verzichtet - ähnlich wie man eine Tüte Süßigkeiten hergeben würde, wenn man dafür ein Pfund Gold bekäme. Mit anderen Worten ist ein kluges Opfer so etwas wie ein vorteilhafter Tausch. Diese Analogie findet sich seit langem in der buddhistischen Tradition. Einer von Buddhas Schülern sagte einmal: „Ich mache einen Tausch, das Altern für das, was kein Altern kennt, das was brennt für das, was keine Bindung kennt: Den höchsten Frieden, die unübertroffene Sicherheit vor den Daseinsfesseln.“

In uns allen steckt etwas, das uns dazu bewegt, an Dingen festhalten zu wollen. Wir würden lieber die Süßigkeiten behalten und dazu noch das Gold bekommen. Aber das Erwachsenwerden lehrt uns, dass wir nicht alles haben können und dass oftmals gerade der Genuss einer Freude das Aufgeben einer anderen, vielleicht sogar größeren Freude bedeutet. Deshalb müssen wir beim Einsatz unserer begrenzten Zeit und Energie klare Prioritäten setzen, damit wir die höchsten langfristigen Gewinne erzielen können.

Dies bedeutet, dass die höchste Priorität dem Geist gebührt. Materielle Dinge und soziale Beziehungen sind instabil und zu leicht von Faktoren beeinträchtigt, die jenseits unserer Kontrolle liegen; das von ihnen gebotene Glück ist vergänglich und unzuverlässig. Aber das Wohlergehen eines gut geschulten Geistes kann sich sogar über Altern, Krankheit und Tod hinwegsetzen. Die Schulung des Geistes erfordert jedoch Zeit und Energie. Dies ist einer der Gründe, warum das Streben nach wahrem Glück von uns verlangt, einige unserer äußeren Freuden zu opfern.

Das Opfern von äußerer Freude befreit uns auch von den geistigen Belastungen, die das begierige Anhaften an diese Freuden oftmals mit sich bringt. Eine berühmte Geschichte im Pali-Kanon erzählt von einem früheren König, der, nachdem er ein Mönch geworden war, am Fuße eines Baumes saß und ausrief: „Welche Glückseligkeit! Welche Glückseligkeit!“ Seine Mitmönche dachten, dass er den verlorenen, königlichen Freuden nachtrauerte, aber später erklärte er dem Buddha, welche Art von Glückseligkeit er empfand:

„Früher hatte ich überall Wachen aufgestellt, in und vor den königlichen Gemächern, in und um die Stadt und überall im Land. Aber obwohl ich derartig bewacht und beschützt war, lebte ich in ständiger Furcht, aufgeregt, misstrauisch und ängstlich. Aber jetzt, wenn ich allein in einen Wald gehe, zum Fuße eines Baumes oder zu einer einsamen Unterkunft, bin ich ohne Angst, bin ich gelassen, vertrauensvoll und furchtlos, sorglos und unerschüttert, meine Bedürfnisse sind befriedigt und mein Geist ist wie ein Hirsch des Waldes.“

Ein dritter Grund dafür, auf äußere Freuden zu verzichten ist, dass wir beim Streben nach Freuden – wie beispielsweise unserer Sucht nach Süßem für das Auge, Süßem für die Ohren, Süßem für Nase, Zunge und Körper – Eigenschaften wie Gier, Zorn und Verblendung nähren, welche die für den inneren Frieden notwendigen Eigenschaften aktiv blockieren. Selbst wenn wir alle Zeit und Energie der Welt hätten, würde uns das Streben nach dieser Artvon Freude immer weiter weg von unserem eigentlichen Ziel führen. Diese Freuden werden im Pfadglied „Rechte Entschlossenheit“ angesprochen. Es handelt sich dabei um den Entschluss, allen Freuden zu entsagen, bei denen sinnliche Leidenschaft, böser Wille und Schädlichkeit zum Tragen kommen. „Sinnliche Leidenschaft“ umfasst nicht nur sexuelle Lust, sondern auch die Sehnsucht nach den Freuden der Sinne, die den geistigen Frieden stören. Als „böser Wille“ gelten alle Wünsche nach Leiden, gleichgültig ob für sich selbst oder für andere. Und zu „Schädlichkeit“ zählen alle Handlungen, die Leiden verursachen. Von diesen drei Kategorien kann man bei den zwei letzteren am ehesten verstehen, warum ein Verzicht sinnvoll ist. Sie sind möglicherweise nicht immer leicht aufzugeben, aber der Entschluss, dies zu tun, ist offensichtlich eine gute Sache. Der erste Entschluss jedoch – der Verzicht auf sinnliche Leidenschaft – ist nicht leicht zu fassen und noch viel schwerer durchzuführen.

Ein Teil unseres Widerstandes gegen diesen Entschluss ist universell menschlich. Überall auf der Welt genießen Menschen ihre Leidenschaften. Selbst der Buddha gab gegenüber seinen Schülern zu, dass, als er begann, seine Lehren in die Tat umzusetzen, sein Herz bei dem Gedanken an den Verzicht sinnlicher Leidenschaft nicht gerade vor Freude schlug und diesen Verzicht nicht als zum Frieden führend erkennen wollte. Aber ein weiterer Teil unseres Widerstands gegenüber dem Verzicht ist allein der westlichen Kultur eigen. Die moderne Populärpsychologie vertritt die Ansicht, dass die einzige Alternative zu einem gesunden Ausleben unserer sinnlichen Leidenschaften eine ungesunde, angsterfüllte Unterdrückung sei. Dabei beruhen beide Alternativen auf Angst: Die Unterdrückung auf der Angst vor dem, wozu uns die Leidenschaft führen könnte, wenn wir ihr Ausdruck verleihen oder sie auch nur in unser Bewusstsein lassen würden; und das Ausleben auf der Angst vor der Entbehrung und auf der Angst vor dem unter dem Bett lauernden Monster, zu dem die Leidenschaft bei Verneinung und Verdrängung werden könnte. Beide Alternativen erlegen dem Geist schwerwiegende Beschränkungen auf. Im Bewusstsein der Nachteile beider Alternativen gelang es dem Buddha, eine dritte Möglichkeit zu finden: eine furchtlose, geschickte Haltung, welche die Gefahren beider Seiten vermeidet.

Um diese Herangehensweise verstehen zu können, müssen wir jedoch erkennen, in welchem Bezug die Rechte Entschlossenheit zu den anderen Gliedern des buddhistischen Pfades steht, insbesondere zur Rechten Ansicht und zur Rechten Konzentration. In der formellen Analyse des Pfades baut die Rechte Entschlossenheit auf die Rechte Ansicht auf; in seiner geschicktesten Form fungiert sie als jenes Sinnen und Erwägen, durch die der Geist die Rechte Konzentration erlangt. Die Rechte Ansicht ermöglicht es, die sinnlichen Freuden und Leidenschaften geschickt zu verstehen, so dass unsere Haltung zu diesem Problem nicht das Ziel verfehlt; die Rechte Konzentration ermöglicht eine innere Stabilität und Glückseligkeit, so dass wir die Wurzeln der Leidenschaft deutlich erkennen und gleichzeitig keine Angst vor Entbehrung haben müssen, bei der Vorstellung, diese Wurzeln auszureißen.

Die Rechte Ansicht beruht auf zwei Ebenen, mit verschiedenen Schwerpunkten, bezogen auf: (1) die Folgen unserer Taten im Kontext unserer Lebensgeschichte und (2) die Themen Leiden und Aufhebung des Leidens in unserem Geist. Die erste Ebene weist auf die Nachteile sinnlicher Leidenschaft hin: Sinnliche Freuden sind flüchtig, instabil und leidvoll; der Wunsch danach ist die Wurzel vieler Übel des Lebens, von der Mühsal und den Entbehrungen beim Erwerb und Erhalt von Wohlstand bis hin zu Familienzwisten und Kriegen zwischen Ländern. Diese Ebene der Rechten Ansicht bereitet uns darauf vor, die Hingabe an sinnliche Leidenschaft als Problem anzusehen. Die zweite Ebene – ein Verständnis der Dinge in Form der Vier Edlen Wahrheiten – zeigt uns, wie dieses Problem in unserer Haltung zum Hier und Jetzt zu lösen ist. Hier wird darauf hingewiesen, dass die Wurzel des Problems nicht in den Freuden liegt, sondern in der Leidenschaft, weil Leidenschaft Anhaften mit sich bringt. Anhaften an bedingt entstandenen Freuden führt unausweichlich zu Stress und Leid, da alle bedingten Erscheinungen ständigem Wandel unterworfen sind. In der Tat neigt unser Anhaften an sinnliche Leidenschaften dazu, stärker und beständiger zu sein als unser Anhaften an bestimmte Freuden. Dieses Anhaften gilt es aufzugeben.

Wie aber macht man das? Indem man sich des Anhaftens bewusst wird. Beide Seiten sinnlicher Anhaftung – als Gewöhnungsmuster der Vergangenheit und unserer Bereitschaft, ihnen auch in der Gegenwart erneut nachzugeben – basieren auf Missverständnis und Furcht. Der Buddha weist darauf hin, dass die sinnliche Leidenschaft auf Fehlwahrnehmungen beruht. Wir projizieren Vorstellungen von Beständigkeit, Leichtigkeit, Schönheit und Selbst auf Dinge, die in Wirklichkeit unbeständig, stressig, unattraktiv und Nicht-Selbst sind. Diese Fehlwahrnehmungen gelten sowohl für unsere Leidenschaften als auch die Objekte dieser Leidenschaften. Wir nehmen den Ausdruck unserer Sinnlichkeit als etwas Ansprechendes wahr, als einen tiefen Ausdruck unserer eigenen Identität, der uns anhaltende Freuden verspricht; wir sehen die Objekte unserer Leidenschaft als fortdauernd und verlockend genug, als soweit unter unserer Kontrolle, dass die Befriedigung, die sie uns verschaffen, sich nicht in ihr Gegenteil verwandeln könne. Davon trifft in Wirklichkeit nichts zu und doch glauben wir unseren Projektionen blind, denn die Macht unseres leidenschaftlichen Anhaftens hat uns zu sehr in Angst versetzt, als dass wir ihnen direkt ins Auge blicken könnten. Ihre besonderen Auswirkungen halten uns daher geblendet und getäuscht in ihrem Bann. Solange es nur um Ausleben oder Unterdrückung geht, kann das Anhaften im Dunkel des Unterbewusstseins weiterhin ungestört aktiv bleiben. Aber wenn wir uns diesem Anhaften bewusst widersetzen, wird es dadurch an die Oberfläche gezwungen, wo es seinen Drohungen, Forderungen und Rationalisierungen Gestalt gibt. Obwohl an sinnlichen Freuden an sich also nichts Böses ist, müssen wir ihnen systematisch entsagen, um die mit den Anhaftungen einhergehenden Probleme deutlich sichtbar werden zu lassen. Auf diese Weise dient geschickte Entsagung als Werkzeug des Lernens, das die latenten Verwicklungen zu Tage fördert, die sowohl durch das Ausleben als auch durch die Unterdrückung unserer Neigungen oft im Verborgenen gehalten werden.

Gleichzeitig müssen wir dem Geist Strategien bereitstellen, mit deren Hilfe er sich nicht auf diese Verwicklungen einlassen muss und sie sofort bei ihrem Auftauchen unterbinden kann. Dazu brauchen wir die Rechte Konzentration. Als eine geschickte Form von Genuss durchtränkt die Rechte Konzentration den Körper mit nicht-sinnlichem Entzücken und mit Freuden, die allen Gefühlen von Entzug und Verlust entgegenwirken, die entstehen, wenn wir sinnlichen Verlockungen widerstehen. Man könnte auch sagen, dass die Rechte Konzentration uns für den Verzicht auf das Anhaften an niedrigeren Freuden mit höheren, länger anhaltenden und subtileren Freuden belohnt. Gleichzeitig verleiht uns diese Rechte Konzentration die stabile Grundlage, die wir benötigen, um nicht vom Anstürmen unserer ausgebremsten Anhaftungen überwältigt zu werden zu werden. Diese Stabilität festigt ebenfalls die geistige und körperliche Achtsamkeit, die wir benötigen, um die der sinnlichen Leidenschaft zugrunde liegenden Fehlwahrnehmungen und Verblendungen durchschauen zu können. Und ist der Geist erst einmal in der Lage, die Prozesse von Projektion, Wahrnehmung und Fehlwahrnehmung zu durchschauen und das größere Gefühl der Freiheit zu erblicken, welches sich bei ihrer Transzendierung einstellt, wird der sinnlichen Leidenschaft die Grundlage entzogen.

In dieser Phase können wir uns dann der Analyse unseres Anhaftens an die Freuden der Rechten Konzentration zuwenden. Wenn unser Verständnis vollständig ist, geben wir jegliches Bedürfnis nach Anhaftung aller Art auf und kommen so in Kontakt mit dem reinen Gold einer Freiheit, die so vollkommen ist, dass sie sich nicht in Worte fassen lässt.

Eine Frage jedoch bleibt: Wie lässt sich diese Strategie des geschickten Verzichts und der geschickten Hingabe in der Praxis des Alltags umsetzen? Menschen, die zum Mönch ordiniert werden, legen ein Keuschheitsgelübde ab und von ihnen wird erwartet, dass sie sich den Verzicht auf sinnliche Leidenschaften zur lebenslangen Aufgabe machen, aber das ist für viele Menschen keine praktikable Alternative. Der Buddha empfiehlt daher seinen Laienanhängern, eintägige Perioden des vorübergehenden Verzichts einzuhalten. Vier Tage jedes Monats (traditionell die Tage des Neu-, Voll- und Halbmondes) sollen die acht Regeln befolgt werden, welche die fünf Standardregeln um Folgendes ergänzen: die sexuelle Enthaltsamkeit, ein Unterlassen der Nahrungsaufnahme ab 12 Uhr mittags, das Verzichten auf Besuche von Shows und auf Musik insgesamt, der Verzicht auf Parfüm und Schminke und schließlich der Verzicht auf luxuriöse Sitzgelegenheiten und Betten. Der Zweck dieser zusätzlichen Regeln ist die angemessene Zügelung aller fünf Sinne. Der Tag wird dann dem Hören des Dhamma, zur Läuterung der Rechten Ansicht, sowie der Meditation zur Stärkung der Rechten Konzentration, gewidmet. Obwohl die moderne Arbeitswoche die mondphasenabhängige Planung dieser Ein-Tages-Retreats unpraktisch machen kann, lassen sie sich doch in Wochenenden oder andere arbeitsfreie Tagen integrieren. So kann ein jeder, der daran interessiert ist, in regelmäßigen Abständen die Sorgen und komplexen Sachverhalte des Alltagslebens für die Möglichkeit eintauschen, Entsagung als eine Fähigkeit zu erlernen, die unerlässlich für das ernsthafte Streben nach Glück im wahrsten Sinne des Wortes ist.

Und ist das nicht ein kluger Tausch?

de/lib/authors/thanissaro/candy.txt · Zuletzt geändert: 2021/04/18 11:03 von Johann